Berufsberatung für Jugendliche

Abhängig von der Symptomatik und Ausprägung des Gefäßfehlers ist auch bei großen Befunden die Teilhabe am Berufsleben sehr gut möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden.
Bewegung einer betroffenen Extremität, gerade bei venösen und/oder lymphatischen Malformationen beziehungsweise bei Klippel-Trénaunay-Syndrom ist förderlich, da in Kombination mit einer Kompressionsware dadurch die Muskelpumpe aktiviert wird und der Gewebedruck in der Extremität erheblich verringert werden kann.
Insgesamt ist zu sagen, dass nur relativ wenige Beschränkungen bei der Berufswahl in Zusammenhang mit peripheren Gefäßanomalien bestehen. Dem Autor sind eigene Patienten bekannt die Kampfsporttrainer sind, bei der Armee und Polizei arbeiten, als IT-Spezialisten, sowie als Ärzte und als Künstlerin.
Je nach Berufspraxis können jedoch verschiedene Problemfelder auftreten, die im Folgenden beleuchtet werden. Die Berufswahl sollte mit einem entsprechenden Fachspezialisten besprochen werden.

Problembereich: Bewegungsloses Sitzen oder Stehen sowie starke kontinuierliche körperliche Belastung

Die größte langfristige Einschränkung bei der Berufswahl besteht bei den Patienten mit ausgedehnten venösen und/oder lymphatischen Malformationen der unteren Extremität mit hohem Lymphdruck oder Venendruck.
Hier ist langes bewegungsloses Sitzen oder Stehen sowie starke kontinuierliche körperliche Belastung im Stehen deutlich erschwert, da hierbei der Gewebedruck in der Extremität zu hoch wird. Typische Berufe, die dies notwendig machen, sind Serviceberufe in der Gastronomie, Arbeiten im Sicherheitsdienst oder Verkaufsberufe im Einzelhandel.
Hilfreich dagegen sind regelmäßige Bewegung, das Tragen passender Kompressionsware, intermittierendes Hochlagern (und ggf. kühlen) der Extremität. Eine sitzende Bürotätigkeit mit der Möglichkeit zu regelmäßigen Bewegungspausen ist auch bei wirklich ausgeprägten Gefäßfehlern meist möglich.

Problembereich: Blutungen

Auch wenn bei großen, sichtbaren Gefäßfehlern häufig Blutungen befürchtet werden, sind diese in der Praxis wirklich selten. Einzige Ausnahme mit einem erhöhten Blutungsrisiko sind chronische Wunden bei arteriovenösen Malformationen, die nicht abheilen und ohne Behandlung permanent bereits bei leichter mechanischer Belastung bluten können. Die Angst vor einer Blutung sollte also in der Berufswahl ansonsten keine echte Rolle spielen.

Problembereich: Infektion, Superinfektion, Wunden, Lymphorrhoe

Bei Bestehen von chronischen offenen Wunden, gerade auch im Zusammenhang mit Ulcera bei venösen oder lymphatischen Malformationen der unteren Extremität, ist die Gefahr einer bakteriellen Infektion bzw. Superinfektion zu beachten. Gerade Patienten mit Lymphorrhoe, bei denen die Barrierefunktion der Haut für Infekte über den Lymphabfluss ausgeschaltet ist oder Lymphvesikel der Haut vorliegen und regelmäßige Erysipele auftreten, ist eine strenge Hauthygiene auch im Berufsleben notwendig.

Aufgrund des spezifischen, problematischen Keimspektrums ist hier eine Berufstätigkeit in der Fleischverarbeitung, im zoologischen Handel sowie teilweise auch in der Landwirtschaft problematisch.

Problembereich: Chronisches Schmerzsyndrom

Die Kombination aus chronischer, schwerer Erkrankung, frustranen Therapieerfahrungen mit zeitweiser Verschlechterung der Symptomatik und das Fehlen von qualifizierten Ansprechpartnern führen nicht selten zu schweren, chronischen Schmerzsyndromen. Neben der seelischen Belastung führt chronischer Schmerz auch oft zu Konzentrationsstörungen, Leistungsminderung und Antriebsarmut. All dies kann Auswirkungen auf die Berufswahl und auch die kontinuierliche Ausübung eines Berufs haben.

An erster Stelle steht hier eine qualifizierte, interdisziplinäre Behandlung der Grunderkrankung an einem Zentrum. Teil des Teams ist hier auch eine fachanästhesiologische Schmerztherapie und das Erlernen von individuellen Schmerzbewältigungsstrategien durch geschulte Anästhesisten. Die Beratung hinsichtlich eines chronischen Substanzmittelgebrauchs kann hier ebenfalls in einem ersten Schritt erfolgen. Die Vermittlung in eine stationäre Schmerztherapie, die oft lange Wartezeiten bis zur Aufnahme benötigt, kann Teil des Therapiekonzepts sein.

Die Fibro-Adipöse-Vaskuläre-Anomalie (FAVA) als Sonderform der venösen Malformation ist hier ein besonderes Problem, da sie wahrscheinlich durch Beteiligung von peripheren Schmerznerven zu einem besonders schwer behandelbaren, chronischen Schmerzsyndrom führen kann. Die spezifische Behandlung der FAVA erfordert hier auch deutlich invasivere Maßnahmen bis hin zur Totalresektion des betroffenen Muskels.

Problembereich: Ästhetische Beeinträchtigung

Gerade kombinierte Gefäßmalformations- und Großwuchssyndrome  sind oft bereits leicht von außen sichtbar und stark von der ästhetischen gesellschaftlichen Norm abweichend. Dies betrifft insbesondere auch den Bereich des Gesichts und der Hände mit hier ausgedehnten kapillären Malformationen.

In beruflicher Hinsicht stellt dies eine individuelle Herausforderung dar für den Patienten selbst, in Maßen auch zumindest anfangs auch für Andere, die mit einer neuen Situation konfrontiert sind. Ansonsten stellen auch deutlich sichtbare Gefäßfehler keine berufliche Einschränkung dar. Dem Autor sind Patienten mit ausgedehnten sichtbaren Gefäßfehlern bekannt, die im Eventmanagement oder in der Unterhaltungsindustrie mit viel Publikumsverkehr arbeiten. Bereits in der Kindheit können hier die Eltern dazu beitragen, die Anomalie als Normvariante zu behandeln und ihr Kind zu stärken.

Problembereich: Anfallsleiden

Anfallsleiden sind bis auf die Ausnahmen des Sturge-Weber-Syndroms und des CLOVES-Syndroms und des M-CAP-Syndroms (M-CAP) bei Patienten mit peripheren Gefäßanomalien ausgesprochen selten und nicht Teil des Krankheitsspektrums. Die dabei mögliche Selbst- und Fremdgefährdung, vor allem bei Führung von Maschinen oder Kraftfahrzeugen, muss fachneurologisch beurteilt und behandelt werden.