Kapitel: Sprechstunde
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Update: 2020/02/16
Autor/en: Wohlgemuth, Walter A.
Die durch eine Gefäßanomalie betroffene Haut ist oft direkt (Hautinfiltration durch den Gefäßfehler) oder indirekt (z. B. durch chronische Entzündungen, hohe Gewebedruckbelastung durch Lymphödem oder Phlebödem oder Lymphorrhoe) besonders empfindlich für Verletzungen, Entzündungen oder Wunden. Hierzu kommt noch die mechanische Mehrbelastung der Haut durch eine Kompressionsware.
Der Schutz vor Hautverletzungen, die häufig auch etwas schlechter abheilen, ist daher besonders wichtig.
Betroffene Hautstellen können im Rahmen der Grunderkrankung besonders trocken (vor allem beim Klippel-Trénaunay-Syndrom) oder sogar eher feuchter sein bzw. zum Schwitzen neigend sein (vor allem bei arteriovenösen Malformationen).
Durch einen erhöhten Gewebedruck, besonders an der unteren Extremität bei Patienten mit venösen und lymphatischen Malformationen, kommt es noch zu einer zusätzlichen Hautbelastung. Auch Patienten mit arteriovenösen Malformationen der unteren Extremität oder des Beckens haben eine venöse Hypertonie der distalen Extremität durch den hohen Venendruck im Bereich der AV-Fisteln.
Im Bereich einer ausgedehnten kapillären Malformationen, vor allem im Zusammenhang mit einem Klippel-Trénaunay-Syndrom, können sich kleine, meist mit blutig tingierter Lymphe gefüllte, stecknadelkopfgroße Stippchen an der Haut bilden (Petechien). Diese sind sehr empfindlich für bereits geringe mechanische Belastung und können schon bei leichter Berührung anfangen auszulaufen und klare oder blutig tingierte Lymphe absondern. Werden dort kleine Krusten entfernt, die durch eingetrocknete Lymphe entstehen, läuft darunter direkt wieder neue Lymphe aus. Auch warmes Wasser (z. B. Duschen) hat einen ähnlichen Effekt. Dann kann ein interventioneller Verschluss durch lokale Sklerosierung der Lymphgefäße indiziert sein (Vorstellung im Zentrum).
Adäquate Kleidung und gut angepasste Kompressionsware bieten einen gewissen Schutz vor mechanischen Hautirritationen. Sehr wichtig aber auch hier der korrekte und optimale Sitz, gerade von Kompressionsware, da hierdurch die Haut auch zusätzlich geschädigt werden kann. Damit ist individuell maßangefertigte und nicht Standard-Kompressionsware obligat bei Patienten mit Gefäßanomalien, insbesondere da die Extremitäten hier häufig durch begleitende Weichgewebshyperplasien auch ungewöhnlich und außerhalb der Norm geformt sind.
Besonders wichtig ist der korrekte Sitz der Kompressionsware in der Kniekehle und an der Rückseite des Fußes bzw. am Rist. Diese Stellen sind der stärksten mechanischen Belastung ausgesetzt. Wenn die Kompressionsware hier nicht perfekt sitzt besteht eine deutlich erhöhte Hautbelastung. Schlecht sitzende Kompressionsware muss ebenso neu angefertigt werden wie Kompressionsware mit drückenden, unpassenden Nähten (bei Flachstrickware).
Eingenähte oder eingelegte Pelotten zur Erhöhung der lokalen Kompression können sehr sinnvoll sein, müssen aber ebenfalls besonders gut angepasst sein, sonst droht hier erst recht die Gefahr einer Hautverletzung.
An betroffener Haut immer einen adäquaten starken Sonnenschutz als Salbe, Spray oder Lotion auftragen vor Sonnenexposition. Dies ist besonders wichtig aufgrund der oft begleitend vorliegenden Dyskolorationen der Haut (z. B. rötliche Hautfärbung bei kapillärer Malformation), die die frühzeitige Erkennung von ersten Zeichen eines Sonnenbrandes mit leichter Hautrötung erschweren.
Die betroffenen empfindlichen Hautstellen müssen besonders gut sauber gehalten werden. Bei konstitutionell oder im Rahmen der Grunderkrankung eher trockenem oder feuchtem Hauttyp ist die regelmäßige Hautpflege mit entsprechenden Präparaten sinnvoll. Bei dem Präparat auch auf den pH-Wert achten, da der physiologisch etwas saure pH-Wert der Haut eine Infektprophylaxe darstellt. Rückfettende, pH-neutrale Präparate ohne zusätzliche Substanzen helfen, auf Dauer lokale Allergien und Hautreaktionen zu vermeiden.