Kapitel: Venöse Malformationen
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Update: 2020/01/28
Autor/en: Barbera, Letterio Christian
Sichtbare ektatische und blau schimmernde Gefäße, die im Stehen an Größe zunehmen, sind gleichermaßen charakteristisch für eine Varikosis und eine venöse Malformation. Bei beiden Erkrankungen können die betroffenen Körperabschnitte anschwellen und ein Schweregefühl bedingen. Dennoch ermöglichen die Anamnese sowie die körperliche und sonographische Untersuchung zwischen beiden Entitäten zu differenzieren.
Unterscheidungsmerkmale helfen (siehe Tabelle) die richtige Diagnose zu stellen, wobei nicht ein einzelnes Kriterium sondern die Gesamtschau ausschlaggebend ist.
Merkmal | Varikosis | VM |
---|---|---|
Häufige Lokalisation | Bein innenseitig und Wade | Bein außenseitig, meistens nur einseitig |
Patientenalter | Über 18 Jahre | Ab Kleinkind |
Aussehen der Gefäße | Meanderförmig, tubulär, kleinere Kalibersprünge | Geflechtartig, irreguläre Formen, große Kaliberunterschiede |
Hautverfärbung | Über dem Innenknöchel, braun | Über der VM bläulich |
Tiefenausdehnung | Subkutan | Intrakutan, subkutan, subfaszial |
Reflux (im Duplex) | Über Gesamtlänge der Varikosis auslösbar | Häufig nur kurzstreckig |
Selbstverständlich kann ein 15-jähriges Mädchen eine primäre Magna-Stammvarikosis haben und ein 70-jähriger Mann eine venöse Malformation erstmalig bemerken. Ähnliche Beispiele gelten auch für die übrigen Merkmale. Das ist aber nicht die Regel, sodass außergewöhnliche Befunde in der Gesamtschau kritisch bewertet werden sollen, um falsche Behandlungen zu vermeiden.
Gemeinsame Merkmale von Weichtteil- und Gefäßtumoren sind Größenzunahme, Gefäßreichtum, schichtübergreifendes Wachstum und Beschwerdebild. Insbesondere subfaszial gelegene venöse Malformationen können manchmal ohne Bildgebung schwer von gut- und bösartigen Weichteiltumoren unterschieden werden. Selbst die modernen Schnittbildverfahren ermöglichen in speziellen Fällen keine hinreichend sichere Differenzierung zwischen VM und Neoplasie. Da Weichteiltumore in der Regel schneller wachsen kann eine Wiederholung des MRT oder CT nach 3–6 Monaten wegweisend sein. Die Indikation zur Probebiopsie steht, wenn Zweifel an der Dignität des Prozesses bestehen. Verständlicherweise soll auf die Gewinnung eines repräsentativen Gewebestückes unter Berücksichtigung des erhöhten Blutungsrisikos geachtet werden. Wenn weitere typische Merkmale einer angeborenen Gefäsßfehlbildung wie z. B. frühes Auftreten, langjährige Anamnese, subkutane Lokalisation, Ausdehnung über die gesamte Extremität vorliegen, so ist eine histologische Abklärung meist nicht zwingend notwendig. Solide, gefäßreiche Tumoren sind in der MRT allerdings in den meisten Fällen von einer venösen Malformation gut unterscheidbar.
Eine Sonderform der Gefäßtumore stellen Hämangiome dar. Diese sind bei Geburt (kongenitale Hämangiome) oder sehr viel häufiger in den ersten Lebenstagen sichtbar, wachsen in der Regel schnell, betreffen häufig das Gesicht und bilden sich im Verlauf der ersten Lebensjahre in aller Regel zurück (infantile Hämangiome). Somit sind Zeitpunkt des Auftretens und Regression wichtige Unterscheidungsmerkmale von einer venösen Malformation. Sowohl sonographisch als auch in der MRT unterscheiden sich die hohlen, blutgefüllten Gefäßräume der venösen Malformation gut von einem soliden, stark perfundierten infantilen Hämangiom. Ein kongenitales Hämangiom (NICH, RICH) kann dagegen von anderen soliden Tumoren manchmal schwer bildgebend unterschieden werden.
Prominente und im Verlauf der Jahre wachsende Gefäßkonvolute treten bei posttraumatischen arteriovenösen Fisteln oder Dialyse-Shunts auf und können als venöse Malformation fehlgedeutet werden. Sichtbar sind die kaliberstarken mäanderförmigen und wandkräftigen Venen, welche Folge der vermehrten Zirkulation („fast-flow-Läsionen“) sind.
Im Unterschied zu einer venösen Malformation liegt ein spontaner kräftiger Blutfluss vor. Dieser wird klinisch als Schwirren und duplexsonographisch als holosystolisches, hochfrequentes Signal wahrgenommen.