Kapitel: Venöse Malformationen
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Update: 2020/01/28
Autor/en: Barbera, Letterio Christian
Charakteristisch für venöse Malformationen (VM) sind:
Das Aussehen einer venösen Malformation variiert erheblich, ist stets irregulär und zum Teil eher schwammartig, zum Teil eher noch an tubuläre, dysplastische Gefäßrohre erinnernd.
Diese irregulären Gefäßräume sind mit Blut gefüllt. Durch stagnierendes Blut mit nur sehr langsamem Fluss kommt es innerhalb dieser venösen Gefäßräume auch zu Gerinnungsvorgängen, daher sind innerhalb einer venösen Malformation auch oft Thromben oder deren kalzifizierte Residuen (Phlebolithen) sichtbar.
Die sporadische, also nicht familiär auftretende, venösen Malformation ist die häufigste angeborene Gefäßmalformation mit einer Inzidenz von 1 bis 2 von 10.000 und einer Prävalenz von ca. 1 %.
Variable Ausprägung: Lokalisation, Größe, Tiefenausdehnung und Form der venösen Malformation variiert erheblich. Jeder Patient weist ein ganz individuelles Muster auf, wobei jede Körperregion (Gesicht, Stamm und Extremitäten) und seltener innere Organe betroffen sein können. Venöse Malformationen sind häufiger an Extremitäten und Kopf-Hals-Region (je etwa 40 %) als am Stamm (restliche 20 %) lokalisiert. In der Regel ist die venöse Malformation auf eine Körperhälfte oder einen Körperquadranten (z. B. Gesäß, Bein und Fuß auf einer Seite) begrenzt, wobei Ausnahmen vorkommen können. Das VM-tragende Gewebeareal kann auf ein Fingerendglied beschränkt sein, sich aber auch auf eine Hälfte des Körpers erstrecken. Genauso verhält es sich mit der Tiefenausdehnung: nur auf die Haut und Subkutis beschränkt, aber auch auf Muskel, Knochen und Gelenkfläche übergreifend. Das Aussehen einer venösen Malformation kann nicht mit geometrischen Formen beschrieben werden. Sie stellen ein irreguläres Geflecht formloser, schwammartiger oder tubulärer, auch unter sich unterschiedlicher Gefäßkonglomerate dar, welche mit Blut gefüllt sind.
Fehlen einer regulären Gefäßwand: Venöse Malformationen sind keine voll ausgereiften Gefäße im herkömmlichen Sinne mit regulärer Wandstruktur. Die Wand ist durch die Fehlbildung meist hauchdünn und klappenlos. Eine venöse Malformation ähnelt nicht einer Vene, sondern eher einem fuchsbauartigem Wurzelwerk mit irregulär verteilten Blutzisternen unterschiedlicher Größe. Venöse Malformationen sind also zusätzliche, überzählige Gefäße ohne Transportfunktion, in denen das Blut versackt. Die Konsistenz der Wand erinnert an einen Spinnennetz und reißt beim Fassen mit einer Pinzette oder nach Punktion sehr leicht ein.
Volumenzunahme: Venöse Malformationen verändern ihr Aussehen sowohl während des Körperwachstums als auch in den späteren Lebensphasen. Grund dafür ist die unreife Wand, welche dem Blutdruck zunehmend nachgibt und somit zu einer Volumenzunahme führt. Diese Volumenzunahme basiert also weniger auf einer Zellproliferation als vielmehr auf einer zunehmenden Schwellung der blutgefüllten irregulären Gefäßräume. Je größer das initiale Volumen der venösen Malformation ist, desto früher tritt sie klinisch in Erscheinung. Erbsengroße venöse Malformationen hingegen, können erst im Alter sichtbar werden. Diese Eigendynamik gilt es zu verstehen und im Behandlungsplan zu berücksichtigen.
Kombination mit kapillären und lymphatischen Gefäßmalformationen: kombinierte Malformationen wie CVM und LVM treten gehäuft an den Extremitäten auf. CVM sind auffälliger und beunruhigen die Eltern am meisten, da sie gut sichtbar sind. Die kapilläre Komponente blasst im Wachstum häufig ab und bedarf in aller Regel keiner Therapie. Klinisch relevanter und schwerer zu behandeln ist aber die LVM.
Assoziation mit Wachstumsstörungen: gelegentlich liegt ein begleitender, partieller Minder- oder Riesenwuchs vor, wenn eine Extremität von einer venösen Malformation betroffen ist. Ein kausaler Zusammenhang im Sinne einer Beeinflussung des Gewebewachstums durch die Gefäßanomalie selbst wurde früher vermutet, die klinische Erfahrung und der Nachweis derselben genetischen Mosaikmutation in Weichteilgewebe und Gefäßmalformation konnte dies jedoch nicht bestätigen. Heute geht man davon aus, dass die Weichteilgewebsvermehrungen bzw. der Minderwuchs ätiologisch direkt mit der Fehlbildung der Gefäße zusammenhängt (kombinierte Fehlbildung). Unabhängig davon ist dies ein für den Patienten bedeutender Aspekt, da es mit schwersten Funktionseinschränkungen einhergehen kann. Wenngleich die im Kindesalter aufgetretene Längen- und Umfangsdifferenz sich mit dem weiteren Wachstum etwas zurückbilden kann, muss der Behandlungsplan diese Veränderungen miteinbeziehen.