Differentialdiagnose — Lymphatische Malformation

  • Kapitel: Lymphatische Malformationen

    Artikel: 7 von 14

    Update: 2021/03/15

  • Autor/en: Meyer, Lutz

Das große Spektrum benigner und maligner Weichteil- oder Knochentumoren muss immer in die Differenzialdiagnose mit einbezogen werden. Wenn man sich zu sehr auf vaskuläre Malformationen konzentriert, können zum Beispiel maligne Tumoren aus dem Blickfeld geraten und wertvolle Zeit verloren gehen. Ein wichtiger Baustein ist hier die einfache Kompression der Läsion mit dem Finger. Eine zystische lymphatische Malformation (LM) ist eher weich oder prallelastisch. Tumoren (auch vaskuläre) fühlen sich hart an, da sie solide sind im Gegensatz zur LM. Dagegen sind Lymphödeme eindellbar und weniger umschrieben.

Eine Abgrenzung der lymphatischen Malformation gegen andere Varianten der Gefäßmalformationen wie venöse Malformationen (VM) oder arteriovenöse Malformationen (AVM) sowie die Gruppe der vaskulären Tumoren (Hämangiome etc.) ist nicht immer einfach. Besonders unmittelbar postnatal fällt es manchmal schwer, bei einer Schwellung im Gesicht die richtige Diagnose zu stellen, da zum Beispiel subkutane infantile Hämangiome oder AVM erst im Verlauf typische klinische Merkmale entwickeln können. Eine bildgebende Darstellung, z. B. mittels MRT, ist dann hilfreich, wenn dies aufgrund der Symptomatik oder zur Differenzialdiagnose notwendig ist. Intraorbitale Malformationen sind oft besonders schwierig einzuordnen, wenn äußerlich keine weiteren Symptome erkennbar sind. Selbst mit Sonographie gelingt nicht immer die zweifelsfreie Diagnose. Manchmal ermöglichen erst der intraoperative Befund und die Histologie die Diagnose. Eine angeborene intraorbitale Meningocele kann mit einer LM verwechselt werden. Wird diese unbemerkt intraoperativ eröffnet, kann es zu einer Liquorfistel kommen, die operativ nicht einfach zu verschließen ist.

Grundsätzlich sind insbesondere am Hals auch andere zystische Prozesse (z. B. die laterale branchiogene  Halszyste, ein Residuum der Sinus cervicalis  oder die mediane Halszyste, ein Residuum  des Ductus thyreoglossus) zu berücksichtigen.

Teilweise zystisch degenerierte Tumoren können in Anteilen an eine LM erinnern, sie enthalten jedoch praktisch immer auch solide Anteile, die einer LM fehlen.

Eine Differenzialdiagnose kann noch schwieriger werden, wenn tatsächlich Mischformen einer LM mit zum Beispiel einer VM (LVM) innerhalb einer tumorösen Schwellung vorkommen. Es scheint Fälle zu geben, die postnatal als typische zystische LM am Kopf und Hals imponieren und die im Verlauf von Jahren in verbliebenen Resten zunehmend venöse Malformationsanteile entwickeln. Hier spielen wahrscheinlich vorhandene lympho-venöse Anastomosen eine Rolle.

Patienten mit komplexen Syndromen können eine lymphatische Malformation als einen Bestandteil neben anderen Gefäßmalformationen haben. Damit ergeben sich zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten. Beim CLOVES-Syndrom bestehen nebeneinander oft zystisch-lymphatische und venöse Malformationsanteile.

Auch bei einem Blue-rubber-bleb-Naevus-Syndrom (Bean-Syndrom) kann zum Beispiel eine zystische LM zusätzlich zu den multiplen VM der Haut, viszeraler Organe oder auch sehr selten der Muskulatur vorhanden sein. Der grundsätzliche diagnostische Unterschied zwischen einer LM und einer VM besteht in der Kontrastmittelanreicherung in der Bildgebung: Bei einer LM reichert nur die dünne Wandung an, bei einer VM die ganze Läsion.