Kapitel: Die Klassifikation der Gefäßanomalien
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Update: 2020/02/03
Autor/en: Sadick, Maliha | Wohlgemuth, Walter A.
Vaskuläre Malformationen (einfache und kombinierte) „assoziiert mit anderen Anomalien“ (in englisch: „Malformations associated with other anomalies“) können mit non-vaskulären, vor allem ossären, muskulären, oder fetthaltigen Gewebewachstumsanomalien assoziiert sein. Hierbei handelt es sich oft um einen Großwuchs, der eine Körperregion bzw. einen Körperquadranten umfasst, z. B. eine Gefäßmalformation in Kombination mit einem Riesenwuchs eines ganzen Beines inklusive Gesäß oder eines Armes inklusive der Schulter. Die Manifestation wird also immer eine Kombination aus Fehlbildung von Gefäßen und Weichteilgeweben oder Knochen sein. Es können jedoch auch andere viszerale, cerebrale oder kardiale Anomalien vergesellschaftet sein im Sinne von komplexen Syndromen. Hierbei handelt es sich vor allem um Großwuchs-Syndrome und wesentlich seltener um Kleinwuchs-Syndrome, Groß- und Kleinwuchs können auch parallel bei einem Patienten vorliegen. In Anlehnung an die ISSVA-Klassifikation findet sich in der nachfolgenden Tabelle eine Übersicht zur Einteilung vaskulärer Malformationen assoziiert mit anderen Anomalien. Heute werden die hier angeführten Syndromnamen gerne vermieden, da sie leider nicht präzise definiert sind. Bevorzugt wird nun das Syndrom des einzelnen Patienten, das variabel ausgeprägt sein kann, nach der zugrunde liegenden Anomalie definiert. Somit benennt man das Syndrom nicht als Klippel-Trénaunay-Syndrom, sondern wählt die wesentlich exaktere und aussagekräftigere Bezeichnung einer „kombinierten kapillär-venolymphatischen Malformation mit Extremitätenhyperplasie“.
KM + VM +/- LM + Extremitätengroßwuchs | Klippel-Trénaunay-Syndrom |
KM + AVF + Extremitätengroßwuchs | Parkes-Weber-Syndrom |
VM Extremität + Knochen + Extremitätenkleinwuchs | Servelle-Martorell-Syndrom |
Faciale + leptomeningeale KM + okuläre Anomalie +/- Großwuchs von Knochen- oder Weichteilgewebe | Sturge-Weber-Syndrom |
KM Extremität + kongenitaler nicht progressiver Extremitätengroßwuchs | KM-Hemihyperplasie-Syndrom (DCMO, diffuse capillary malformation with overgrowth) |
VM +/- Spindelzellhämangiom + Enchondrom | Maffucci-Syndrom |
Makrozephalie-KM/ Megalenzephalie-KM-Polymikrogyrie (MCAP) | M-CAP |
LM + VM + KM +/- AVM + ossäre + Gewebehyperplasie (v.a. Fett, Muskel, Knochen) | CLOVES-Syndrom |
KM +VM und/oder LM + asymmetrischer, progredienter somatischer Großwuchs | Proteus-Syndrom |
AVM + VM + Makrozephalie + Fettgewebshyperplasie | Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom; Cowden-Syndrom; PTEN hamartoma syndrome |
AVM + Akroangiodermatitis + asymmetrischer somatischer Großwuchs | Stewart-Bluefarb-Syndrom |
Komplexe syndromale vaskuläre Malformationen stellen diagnostisch und therapeutisch eine Herausforderung dar. Es geht nicht nur darum, die zugrunde liegende Gefäßanomalie zu behandeln, sondern ebenso die vergesellschafteten Komplikationen, die bei Organ-, Gelenk-, Weichteilgewebe- oder Muskelbeteiligung entstehen können. Gerade junge Patienten mit syndromalen vaskulären Malformationen benötigen oftmals eine lebenslange Betreuung und unterstützende physikalische, orthopädische und schmerztherapeutische Maßnahmen. Eine kausale Behandlung der zugrundliegenden Anomalien gibt es heute noch nicht, dennoch können durch eine adäquate Therapie substantielle Verbesserungen herbeigeführt werden, die den Patienten meist ein ganz normales Leben ermöglichen.