Kapitel: Gerinnungsstörungen
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Update: 2020/03/20
Autor/en: Wohlgemuth, Walter A.
Abhängig von der Art und Größe der Gefäßanomalie gibt es typische Arten von Gerinnungsanomalien die mit Gefäßanomalien assoziiert sind:
Die tiefer gelegenen, intramuskulären, großen venösen Malformationen (VM) bestehen aus blutgefüllten großen endothelausgekleideten Räumen mit dysplastischem Endothel und dysfunktionaler Gefäßwand in der Läsion. Das darin enthaltene Blut zeigt praktisch kaum Blutfluss bzw. eine vollständige Stase des Blutes. Dies führt zu einer permanenten Bildung von kleinen Mikrothromben in Form von kleinen Blutgerinnseln und gleichzeitig als Gegensteuerung zu einer sekundären aktivierten Fibrinolyse. Insgesamt drückt sich dies klinisch als permanente lokalisierte intravasale Gerinnung (LIC) innerhalb der venösen Malformation aus. Durch die lokale Gerinnungsaktivierung in der Gefäßanomalie mit Thrombin-Bildung und intravaskulärer Fibrin-Deposition kommt es parallel zu einer sekundären Hyperfibrinolyse und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, v. a. der Gerinnungsbausteine Fibrinogen, Faktor XIII und Antiplasmin.
Über diese lokalisierten Gerinnungsvorgänge innerhalb der venösen Malformation entstehen auch zeitweise größere lokale Thromben, die zu häufigen kurzen oder länger andauernden schmerzhaften Thrombophlebitiden innerhalb der venösen Malformation führen. Chronische Thrombophlebitiden führen zu der für eine venöse Malformation typischen Bildung von Phlebolithen. Diese können durch normale Umbauvorgänge im Laufe der Zeit aus Thromben entstehen, die sich langsam während des Abbaus über Kollageneinlagerung organisieren. Diese bilden dann über eine zunehmende, schalenartige Anbindung von Calcium eine konsekutive kugelige oder popkornartige Verkalkung (= Phlebolith).
Folgende Übersichtstabelle fasst die Gerinnungsphänomene zusammen:
Kasabach-Merritt-Phänomen | LIC/DIC | |
Klinik | Säugling mit hartem, rotbläulichem Gefäßtumor | Jugendlicher/junger Erwachsener mit großvolumiger VM an Extremität oder Rumpf |
Assoziierte Gefäßanomalie | Kasposiformes Hämangioendotheliom (KHE) / Tufted Angioma (TA) | Venöse Malformation |
Häufigkeit | Bis zu 45 % im ersten Lebensjahr bei KHE/TA | 40 %–58 % aller Patienten mit sehr großer VM |
Laborkonstellation | Thrombozyten ↓ ↓ ↓ ↓ D-Dimere ↑ ↑ Fibrinogen (↓) | D-Dimere ↑ ↑ ↑ Fibrinogen ↓ ↓ Thrombozyten (↓) |
Ursache | Thromobozytenaktivierung an dysplastischem Tumorendothel mit Trapping, vor allem sekundäre Gerinnungsaktivierung | Aktivierung der plasmatischen Gerinnung durch Stase in großen, stagnierenden blutgefüllten Lakunen der venösen Malformation, gestörte Endothelfunktion |
Risiko Verschlechterung | Gabe von Thrombozytenkonzentraten | Weitere Gerinnungsaktivierung durch offene Operation, Sklerosierung, Trauma, Immobilisation, etc. mit Umschlagen in eine DIC |
Prophylaxe | Heparin, ASS, ggf. Ticlopidin | Heparin (bereits mindestens 3 Tage vor größeren geplanten Eingriffen) |
Therapie | Transarterielle Embolisation des Tumors, Kompressionstherapie, Heparin, ASS, Ticlopidin, Sirolimus, ggf. Operation | Heparin, ggf. Gerinnungsfaktorensubstitution, Kompressionstherapie, ggf. Sklerosierung und Operation |