Sonderformen — HHT · Morbus Osler

Häufig, bei 45–65 % der Patienten mit HHT, kommt es zu okulären Manifestationen. Am häufigsten (in 35–42 % der Fälle) ist ein hämorrhagischer Tränenfluss, bedingt durch konjunktivale Teleangiektasien. Die Prävalenz von retinalen Teleangiektasien wurde in der Vergangenheit lediglich mit ca. 2–10 % angegeben; sie  basierten auf Spaltlampenuntersuchung und Funduskopie. Neuere Untersuchungen mittels Fluoreszenz-Angiographie (FA) und OCT-Angiografie (OCTA) erbrachten, dass die Mehrzahl der HHT-Patienten (78 %; Altersdurchschnitt 52,3 Jahre) feine periphere Teleangiektasien der temporalen oder nasalen Retina aufweisen. Es wird vermutet, dass retinale Teleangiektasien eine häufige bis regelmäßige Altersmanifestation sind. Wegen der Blutungsgefahr mit potentieller Visusminderung werden regelmäßige ophtalmologische Kontrolluntersuchungen mittels FA empfohlen (Sindhar et al., 2019).

Die Prävalenz von Migräne im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (9,8 %) ist mit 38–39,6 % erhöht. Pathophysiologisch wird hierbei unabhängig vom Vorhandensein von pulmonalen oder zerebralen Shunts eine Vaskulopathie als Folge des gestörten TGF-ß-Signalweges (proinflammatorischer Effekt von TGF-ß1?) diskutiert. HHT-Patienten mit pulmonalen AVM (pAVM) neigen zu Migräne mit Aura, wogegen Patienten ohne pulmonalen AVM häufiger Migräne ohne Aura haben.  

Patienten mit HHT haben ein erhöhtes Risiko an bakteriellen Infektionen zu erkranken. Ursächlich wird eine Beeinträchtigung der antibakteriellen Funktionen von Neutrophilen bei HHT-Patienten vermutet.

Gerinnungsstörungen als zusätzliche Risikofaktoren

Gerinnungsstörungen sollten bei HHT-Patienten als zusätzliche Risikofaktoren abgeklärt werden. Durch die Blutungen (Epistaxis und gastrointestinale Blutungen) kann es zur Eisenmangelanämie kommen. Eisenmangel ist wahrscheinlich mitverantwortlich für eine erhöhte Thromboseneigung. Die Kombination der HHT mit einer Blutgerinnungsstörung (z. B. Hämophilie, bei der nach leichten Traumen und spontan Blutungen auftreten) kann zu Blutungsereignissen mit dramatischen Ausprägungen führen.

Juvenilen Polypose-HHT-Syndrom

Beim Juvenilen Polypose-HHT-(JPHT-)Syndrom auf der Grundlage von SMAD4-Muationen stehen Polypen des Magen-Darm-Traktes im Vordergrund (Auftreten bereits im Kindesalter möglich). Etwa drei Viertel der SMAD4-Mutationsträger weisen Merkmale des HHT auf. Als Erstmanifestation sind Merkmale des HHT selten. Die Patienten haben fast alle Polypen des Kolons und 70 % haben Polypen des Magens. Das Malignomrisiko (Lebenszeitrisiko) beträgt 40 % für Kolonkarzinom und 20 % für Magenkarzinom. Im Vergleich zu anderen Syndromen mit juveniler Polypose ist beim JPHT-Syndrom der obere Gastrointestinaltrakt stärker befallen.

Bei Patienten mit Osler-Syndrom ohne molekulargenetischen Befund sollte nach Polypose/Darmkrebs auch bei Familienangehörigen gefragt und ggfs. eine entsprechende Diagnostik angeboten werden.

Die Diagnose einer Familiären Juvenilen Polypose wird zunächst klinisch gestellt. Der Verdacht besteht, wenn entweder mindestens fünf juvenile Polypen bei einem Patienten gefunden werden, wenn juvenile Polypen außerhalb des Dickdarms nachgewiesen werden, oder wenn bei Vorliegen eines juvenilen Polypen noch weitere Familienmitglieder mit juvenilen Polypen bekannt sind.

Umgekehrt sollte bei allen JPHT-Patienten mit SMAD4-Mutation nach HHT-Manifestationen gefahndet werden.

Aortopathie

Mutationen in zahlreichen Genen des TGF-ß-Signalweges gehen mit Aortopathien einher. Von den HHT-Genen (desselben Signalweges) sind Mutationen des SMAD4-Ges mit einem deutlichen Risiko für eine Dilatation der Aortenwurzel verbunden. Patienten mit einer SMAD4-Mutation benötigen deshalb eine kardiologische Untersuchung bezüglich der Manifestation einer Aortopathie.