Bleomycin-Elektrosklerotherapie (BEST)

Die Sklerosierungstherapie von Slow-flow-Malformationen (venös, kapillär und lymphatisch) wird ständig weiterentwickelt, da sie zwar sicher, in der Effektivität jedoch begrenzt ist. Oft werden bei der Standard-Sklerosierung mehrere Sitzungen notwendig. In ersten Studien und klinischen Anwendungen wurde als neue Entwicklung die reversible Elektroporation in der Sklerosierungstherapie von Slow-flow-Malformationen eingeführt. Dieses ganz neue Verfahren soll hier kurz beschrieben werden.

Bei der reversiblen Elektroporation werden über dünne Nadeln multiple, kurze (ca. 100 µs) und starke Stromstöße (bis 1.000 V/cm) ins Zielgewebe abgegeben. Dabei werden Zellmembranen vorübergehend durchlässiger für bestimmte geladene Moleküle, z. B. das Sklerosierungsmittel Bleomycin. Hierdurch soll die intrazelluläre Konzentration und damit Wirkung im Zielgewebe stark erhöht werden bei gleichzeitig geringerer systemischer Nebenwirkung durch die geringere notwendige Körperdosis. Das Verfahren ist aus der Therapie von Hauttumoren schon länger bekannt und wurde 2017 erstmals bei Gefäßmalformationen eingesetzt. Erste anekdotische Berichte zeigten, dass die Anwendung von Bleomycin in Kombination mit reversibler Elektroporation den sklerosierenden Effekt möglicherweise verstärkt, dies sogar in einer Dosierung von 25 % im Vergleich zur Standard-Bleomycinsklerosierung. Dies wird durch eine reversible (ca. 45 bis 60 min) lokale Erhöhung der Zellmembranpermeabilität und damit Erhöhung der intrazellulären Bleomycinkonzentration in den pathologischen Gefäßendothelien der Gefäßmalformation erreicht. Es liegen derzeit noch keine größeren Studienergebnisse zur Bleomycin-Elektrosklerotherapie (BEST) vor, sodass das Verfahren aktuell noch evaluiert werden muss.

Wie wirkt die reversible Elektrosklerotherapie?

Der wichtigste Wirkmechanismus ist die intrazelluläre Verstärkung des zytotoxischen Effekts durch Erhöhung der intrazellulären Konzentration des Medikaments. Aufgrund ihrer verschiedenen Molekülstruktur, elektrochemischen Ladungseigenschaften, sowie pharmakokinetischen und –dynamischen Eigenschaften sind nicht alle Medikamente hierfür gleich gut geeignet. Als besonders geeignet hat sich Bleomycin gezeigt.

Ein weiterer wichtiger Effekt ergibt sich durch eine ausgeprägte Vasokonstriktion im behandelten Gewebe. Diese vorübergehende, auch „vascular lock effect“ genannte Gefäßverengung setzt praktisch sofort ein und scheint über Stimulation des sympathischen vegetativen Nervensystems auf der Ebene der Präkapillaren vermittelt zu sein.

Zudem ergibt sich ein direkter gefäßschädigender Effekt auf Gefäße < 5 mm, der etwas später einsetzt und durch offensichtlich stärkere Empfindlichkeit von Gefäßendothelien auf die Stromimpulse vermittelt wird. Diese Gefäßeffekte werden auch zur Verlängerung der Kontaktzeit des Bleomycins mit der Läsion (weniger wash-out) sowie zur eventuellen Stillung von malformationsbedingten oder punktionsbedingten Gefäßblutungen genutzt.

Bleomycin in der reversiblen Elektroporation

Bleomycin, das ursprünglich in den 1960er Jahren als Antibiotikum entwickelt wurde, führt in niedriger interzellulärer Konzentration zu einem Zellvermehrungsarrest in der G2-M Phase, in höherer Konzentration zum programmierten Zelltod (Apoptose). Erst in hoher intrazellulärer Konzentration schließlich, kommt es zur Nekrose durch eine direkte Zerstörung der DNA. Es ist vergleichsweise günstig, lange bewährt und wird in der WHO-Liste der essentiellen Tumor-Medikamente geführt. Bleomycin ist zudem heutzutage das weltweit am häufigsten eingesetzte Mittel zur Sklerosierungsbehandlung von Slow-flow-Gefäßmalformationen.

Tierexperimentelle Arbeiten zeigten, dass durch die gleichzeitige Anwendung der reversiblen Elektroporation die intrazelluläre Bleomycin-Konzentration um das > 700-fache ansteigt. Die Plasma-Halbwertszeit von Bleomycin beträgt ca. 3 bis 4 Stunden, es wird vorwiegend über die Niere ausgeschieden, daher ist bei Niereninsuffizienz die Dosis zu erniedrigen. Mögliche Nebenwirkungen sind Allergien und eine milde Immunreaktionen mit Fieber. In höheren Konzentrationen ab ca. 150.000 bis 200.000 IU kann es zu Haut- und Schleimhautreaktionen mit Stomatitis und Ulcus, Haarausfall, sowie Verminderung der Zellzahl führen. An der Haut kann es zu einer Verfärbung (Hyperpigmentierung), Juckreiz und Blasenbildung bis zur Wundbildung kommen. Die gefürchtetste Nebenwirkung ist die interstitielle Pneumonitis, die sehr selten auftritt und die kumulative Dosis begrenzt (nicht mehr als 400.000 IU bei unter 60-jährigen). Diese Dosis wird jedoch bei der reversiblen Elektroporation in aller Regel nicht einmal annähernd erreicht.

In der größten prospektiven Beobachtungsstudie zur Behandlung von oberflächlichen Tumoren mit Bleomycin-assistierter reversibler Elektroporation  (n = 376 Patienten) fanden sich bei 7,8 %  G3-Hautreaktionen wie Hyperpigmentierung, Rötung bis zum Hautulcus. Diese waren ambulant therapierbar. Die Hautulcerationen heilten über 6 bis 10 Wochen ab.

Die praktische Anwendung

Vor der Elektroporation muss das Bleomycin zur Gefäßmalformation gelangen. Hier ist zwischen der einfacheren, systemischen Bleomycingabe, bei der das Medikament intravenös verabreicht wird und sich so in geringerer Konzentration auch in der Läsion verteilt, und der direkten lokalen intraläsionalen Applikation zu unterscheiden. Bei der intraläsionalen Injektion wird die zu behandelnde Malformation lokalisiert, bei tiefer Lage mittels Ultraschall, und das Bleomycin direkt injiziert.

Für die dann folgende reversible Elektroporation gibt es je nach Patient eine Vielzahl von verschiedenen Nadelgeometrien und Applikatoren, die je nach Größe, Art, Lage, Ausdehnung und Zugänglichkeit der jeweiligen individuellen Läsion gewählt werden können. Die dünnen Nadeln werden dann unter Ultraschallsteuerung, zum Teil auch unter Fluoroskopie, in die Zielläsion eingebracht und mit dem Impulsgeber verbunden. Die genaue Nadelgeometrie des spezifischen Applikators bestimmt dann, neben Leitfähigkeitsmessungen in der Läsion, das endgültig anzuwendende Impulsprotokoll. Die applizierten Impulse werden dabei an die spezifische patientenindividuelle Malformation und ihre Gewebeeigenschaften angepasst.

Fazit

Zusammengefasst scheint die reversible Elektroporation in Kombination mit Bleomycin (Bleomycin-Elektrosklerotherapie BEST) möglicherweise zu einer Erhöhung der lokalen Wirksamkeit zu führen, bei gleichzeitig reduzierter notwendiger Gesamtkonzentration des Sklerosierungsmittels. Diese aus der Tumortherapie bekannte selektive Wirksamkeit vermag nach ersten Erkenntnissen die lokale Effektivität zu erhöhen und gleichzeitig die Nebenwirkungen im Körper zu vermindern. Neben etablierten Indikationen vor allem in der Therapie von Hauttumoren zeichnen sich mit der Behandlung von Gefäßmalformationen neue Indikationen ab, die vielversprechend sind.