Autor/en: Wohlgemuth, Walter A.
Autor/en: Wohlgemuth, Walter A.
6 Monate altes Mädchen mit einem progredienten, roten, pulsatilen Tumor am linken Mittelfinger. Der Tumor ist überwärmt, damit Hinweise auf hämodynamisch relevante arteriovenöse Fisteln. Die rötliche Hautverfärbung lässt zunächst an ein infantiles Hämangiom denken.
Die Raumforderung erstreckt sich auch subkutan im volaren Abschnitt des Phalanx proximalis und ist pulsatil, aber relativ weich. Die darüber liegende Haut ist gerötet und überwärmt.
Die farbkodierte Duplexsonographie zeigt eine massive Mehrdurchblutung, jedoch nicht in multiplen, sehr kleinen netzartigen Gefäßen wie in einem infantilen Hämangiom zu erwarten, sondern in eher etwas größeren Gefäßen. Dieser Befund ist eher mit einer arteriovenösen Malformation vereinbar.
Innerhalb von 4 Monaten kommt es zu einer weiteren Größenzunahme der Raumforderung. Es bildet sich eine zunehmende Deviation des D3 nach lateral mit V-förmiger Fehlstellung des D3 zum D2. Dies stellt auch die Indikation zu einem invasiven Vorgehen dar, da die volle Funktionsfähigkeit der Hand gefährdet ist.
Nach vorheriger Embolisation wird die Raumforderung mikrochirurgisch präpariert und komplett entfernt.
Das Resektat zeigt relativ große, dilatierte Gefäße mit relativ dicker Wand und dem Embolisat (schwarzer Gefäßausguss). Histologisch bestätigt sich die Diagnose einer arteriovenösen Malformation.
Am 2. postoperativen Tag kommt es trotz Antikoagulation zu einer peripheren Ischämie am distalen Endglied des D3 mit Nekrose, dieses muss nachreseziert werden. Die Spitze des Endgliedes konnte nicht erhalten werden.
Bei der klinischen Kontrolle nach 2 Jahren und 6 Monaten kein Rezidiv der AVM. Der Finger ist voll funktionsfähig, im proximalen Interphalangealgelenk etwas nach lateral deviiert. Der Nagel des Endglieds ist jedoch nicht nachgewachsen.
Auch nach 4 Jahren und 7 Monaten postoperativ zeigt sich weiterhin kein Rezidiv der arteriovenösen Malformation (AVM). Der Mittelfinger ist wieder funktionsfähig und wächst nicht überproportional im Vergleich zu den anderen Fingern. Dieses überproportionale Wachstum wäre ansonsten zu erwarten, wenn die AVM nicht entfernt worden wäre.
Arteriovenöse Malformationen (AVM) werden selten bereits im Säuglingsalter symptomatisch. Das schnelle Wachstum und der Raumforderungseffekt zwangen hier zur Intervention. Die Differentialdiagnose zum ebenfalls himbeerroten infantilen Hämangiom ergibt sich aus der Bildgebung (große Gefäße mit massivem Durchfluss) sowie des Fehlens einer soliden vaskulären Tumorkomponente. Die Resektion wurde durch die vorhergehende vollständige Embolisation wesentlich erleichtert bzw. möglich gemacht. Die zur Vermeidung eines Rezidivs notwendige und möglichst vollständige Embolisation und Resektion ist technisch schwierig. Hierbei kann es anatomisch notwendig sein die ganz distale Blutversorgung zu beeinträchtigen. Die initial noch vorhandene Durchblutung der akralen Fingerspitze war im Verlauf nicht mehr gegeben, die AVM konnte jedoch rezidivfrei vollständig entfernt werden. Im natürlichen Verlauf wäre aufgrund des Progresses der AVM dann auf den ganzen Finger dieser nicht mehr zu halten gewesen. Der Gesamtverlauf ist angesichts der ausgedehnten AVM in dieser Lokalisation erfreulich.
Publiziert: 2018
Alle Abbildungen © Wohlgemuth