Autor/en: Hülsemann, Wiebke
Autor/en: Hülsemann, Wiebke
Bereits bei der Geburt fand sich eine Veränderung am Ringfinger. Es wurde eine „Angiodysplasie mit ausgedehnten Shunts“ diagnostiziert und im Alter von 3 Jahren wegen rezidivierender Blutungen aus einem Ulkus der Fingerkuppe der Ringfinger auswärts amputiert. Diese Fotos wurden im 12. Lebensjahr aufgenommen. Damals zeitweise Schmerzen in der Hohlhand. Rötliche, überwärmte Raumforderung in der Hohlhand mit Venenektasien an der Hand, tastbarer arterieller Puls und Schwirren, weiche elastische Schwellung in der palmaren Mittelhand und Hypothenar.
Der Patient ist Rechtshänder.
Damals fand sich in der Sonographie eine erhöhte Flussgeschwindigkeit, gefäßreiche Veränderungen in der Hohlhand, in den Intermetakarpalraum reichend, Ausdehnung bis in den ulnaren Handgelenksbereich und distalen Unterarm. Keine Zeichen einer Linksherzbelastung im Röntgen Thorax und in der Echokardiographie. Als Therapie Schmerzmittel, ein individuell maßangefertigter Kompressionshandschuh ohne Kompression der Finger brachte Erleichterung. Es erfolgte dann eine Angiographie und sechsmalige transarterielle Embolisation über einen Zeitraum von einem Jahr. Es erfolgte dann eine Teilresektion der embolisierten Anteile.
Im Alter von 18 Jahren dann massive Zunahme der Schmerzen und mehrfache arterielle spritzende Blutungen im Teilamputationsbereich durch ein Ulcus. Fixierte Beugekontrakturen des Mittel- und Kleinfingers, die Funktionsfähigkeit der Hand ist massiv eingeschränkt. Es wurde jetzt eine Teilamputation der ulnaren Hand sowie des dritten bis 5. Strahls geplant mit Deckung des Defektes durch Weichteile vom Handrücken.
Danach Stabilisierung mit deutlicher Besserung der Lebensqualität, keine Schmerzen. Dieses Foto entstand im Alter von 25 Jahren. Anfängliche Phantomschmerzen verminderten sich spontan von einmal wöchentlich auf einmal alle 2 Monate. Der Patient ist wieder sportlich aktiv mit Kickboxen und Schwimmen. Ausbildung zum Maschinenbauingeneur abgeschlossen. Er trägt jetzt permanent einen Kompressionshandschuh. Im Röntgenbild rechts noch Teile des alten Embolisats sichtbar, die die AVM-Reste verschlossen haben.
Im 25. Lebensjahr schreibt der Patient unverändert mit der rechten Hand. Eher kraftarmer Spitzgriff zwischen Daumen und Zeigefinger von 1 kg gegenüber links 7 kg.
Es findet sich jedoch eine freie Beweglichkeit der verbliebenen Finger bis auf eine geringe Einschränkung der Zeigefingerstreckung durch Beugesehnenverkürzung. Normale Sensibilität. Kein Anhalt auf Rezidiv zu diesem Zeitpunkt.
Bei diesem Patienten mit einer AV-Malformation der rechten Hand haben arterielle Blutungen aus Ulcera des Ringfingers früh im Alter von 3 Jahren zur Ringfingeramputation geführt. Nach beschwerdearmem Intervall mit proportionalem Wachstum nahmen die Veränderungen und die Beschwerden in der Präpubertät wieder deutlich zu. Ein Kompressionshandschuh reduzierte zwar den Druck und brachte Linderung. Mehrfache Embolisationen im Alter von 16 Jahren sowie eine Teilamputation blieben erfolglos. Wegen rezidivierender arterieller Blutungen aus dem Stumpfbereich mit höherem Blutverlust musste mehrfach notfallmäßig behandelt werden. Eine Teilamputation der gesamten ulnaren Hand stabilisierte schließlich die Situation.
Der Patient hat bis auf gelegentliche Phantomschmerzen keine Beschwerden, kann angstfrei Sport treiben und hat ein Ingenieursstudium erfolgreich abgeschlossen. Er schreibt unverändert mit der betroffenen rechten Hand und trägt weiterhin einen Kompressionshandschuh.
Ein solch schnell progredienter Verlauf schon früh in der Kindheit und während der Pubertät ist selten, tritt jedoch immer wieder auf.
Publiziert: 2018
Alle Abbildungen © Hülsemann