Kapitel: Schmerztherapie und Anästhesie
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Update: 2020/02/16
Autor/en: Kramer, Jens
Radiologisch-interventionelle Eingriffe, Interventionen/Operationen haben im Laufe der vergangenen Jahre eine rasante Entwicklung hinsichtlich der Invasivität und Komplexität erlebt. Gleichzeitig hat sich das Spektrum der betroffenen Patienten erweitert. Manche Patienten bringen z. T. schwerwiegende Vorerkrankungen mit. Andere wiederum sind noch sehr klein (Säuglinge, Kleinkinder) und in einem Alter, in dem keine ausreichende Kooperation für länger dauernde und komplexe Untersuchungen oder Eingriffe erwartet werden kann. Viele Eingriffe sind deshalb ohne Narkose oder eine tiefe Analgosedierung nicht denkbar. Beides sind Aufgaben der Anästhesie.
Bei der anästhesiologischen Begleitung von interventionellen Prozeduren im Rahmen der Behandlung von Gefäßanomalien stehen grundsätzlich alle Narkoseverfahren zur Verfügung. Je nach Art und Ausdehnung des Eingriffs, der Komorbiditäten, des Zustands bzw. des Alters eines Patienten reicht das Spektrum von der Analgosedierung bis zu einer Vollnarkose in Kombination mit einer Regionalanästhesie. Hier spielen auch die jeweils örtlichen Besonderheiten und Gewohnheiten eine wesentliche Rolle. Es sind in jedem Fall aber auch die individuellen Wünsche des Patienten zu berücksichtigen. Eine enge interdisziplinäre Abstimmung sollte selbstverständlich sein.
Die Regionalanästhesie ist in vielen Bereichen der operativen Medizin fest etabliert. Interventionen an den Extremitäten können in bestimmten Fällen auch mit einem Regionalverfahren (z. B. axilläre Plexusblockade) durchgeführt bzw. die Vollnarkose kann damit kombiniert werden. Dabei wird ein einmaliger Bolus des Betäubungsmittels direkt in die Nähe der zuführenden Nerven der betroffenen Extremität gespritzt. Dieses Verfahren wird auch Plexusanästhesie genannt. Der Patient empfindet damit während der Intervention selbst als auch für einige Stunden danach keine Schmerzen.
Grundsätzlich sind bei der Regionalanästhesie in Einzelfällen auch Katheterverfahren denkbar und möglich. Der Patient erhält zusätzlich zum Bolus für den Eingriff selbst einen kleinen und nervennahen Katheter zur kontinuierlichen Infusion von Analgetika bzw. Lokalanästhetika. Somit besteht die Möglichkeit, mittels kontinuierlicher Gabe eines Lokalanästhetikums über einige Tage hinweg die Analgesie aufrecht zu erhalten. Dies erfordert aber ein stationäres Procedere und eine entsprechende engmaschige Betreuung. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn postinterventionell ausgeprägte Schmerzen zu erwarten sind oder bei einem Patienten bereits ein bekanntes chronisches Schmerzsyndrom vorliegt. Auch im Fall einer frühen postoperativen Mobilisierung kann ein Katheterverfahren hilfreich sein, wenn diese Mobilisierung absehbar sehr schmerzhaft sein wird.
Sollte im Rahmen einer radiologischen Intervention eine Vollnarkose notwendig sein, kann diese selbstverständlich auch im Rahmen eines ambulanten Eingriffs durchgeführt werden. Eine enge Abstimmung des behandelnden Radiologen und des Anästhesisten im Vorwege ist dabei immer wünschenswert.
Folgende Punkte sollten frühzeitig geklärt werden:
Es gelten dabei die üblichen Voraussetzungen (Auswahl):
Bei der Vollnarkose gibt es zwei Möglichkeiten: die sog. balancierte Narkose und die totale intravenöse Narkose (TIVA). Für die TIVA wird Propofol verwendet. Dieses Narkosemittel hat einen günstigen Einfluss auf die postoperative Übelkeit und das Erbrechen und wird deswegen gern angewendet. Bei der balancierten Narkose wird Propofol nur für die Narkoseeinleitung verwendet. Die Aufrechterhaltung erfolgt mit einem gasförmigen (volatilen) Narkosemittel. Heute werden meist Sevofluran und Desfluran verwendet. Beide Substanzen sind sehr gut steuerbar und sorgen für ein schnelles Erwachen aus der Narkose. Zudem kann die Konzentration im Atemgas gemessen werden, was einen Sicherheitsvorteil bedeutet. Übelkeit und Erbrechen sind auch hier selten. Zumeist lassen sich im Vorgespräch vor der Narkose Risikofaktoren bestimmen, beispielsweise die Reisekrankheit. In diesen Fällen kann eine Prophylaxe verabreicht werden. Abgesehen von ganz speziellen Kontraindikationen bleibt die Auswahl der Narkose dem behandelnden Anästhesisten und den örtlichen Gewohnheiten vorbehalten. Beide Narkosearten sind fest etabliert und gelten bei Beachtung der spezifischen Kontraindikation gleichermaßen als sicher.