Genetische Grundlagen — Kapilläre Malformation

  • Kapitel: Kapilläre Malformationen

    Artikel: 2 von 14

    Update: 2018/06/22

  • Autor/en: Tinschert, Sigrid

Kapillären Malformationen (KM) können Mutationen in unterschiedlichen Genen zugrunde liegen. Diese Gene kodieren für Komponenten miteinander vernetzter Signalübertragungswege, die bei Angiogenese und Vaskularisierung eine Rolle spielen und deren Aktivierung mit Zellwachstum und Differenzierung einhergeht. Sowohl isolierte als auch syndromale kapilläre Malformationen entstehen meist durch nicht vererbte, postzygotische Mutationen [ausgenommen: CM-AVM, Cowden-Syndrom, Mikrozephalie-KM (MICCAP) und Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT)]. Als Ergebnis einer Mutation, die erst nach der Befruchtung eintritt, resultiert ein Zellmosaik. Das heißt, der Körper besteht aus mutierten Zellen und solchen, die keine Mutation tragen. Je früher in der Embryonalentwicklung sich eine Mutation ereignet, umso mehr Zellen sind betroffen und umso stärker ist die Ausprägung der Krankheitsmerkmale. Außer durch den Mutationszeitpunkt wird das klinische Bild eines Zellmosaiks auch von den Körperregionen bestimmt, denen die Zellen mit Mutation zugehörig sind.

Aus dem Vorhandensein eines Zellmosaiks folgt, dass ein Mutationsnachweis nur im betroffenen Gewebe möglich ist. So wurden z. B. beim Sturge-Weber-Syndrom und in einigen Fällen mit isoliertem Feuermal Mutationen im GNAQ-Gen nur in Gewebeproben der (Gesichts)haut und Leptomeningen, nicht aber im Blut der Patienten nachgewiesen. Durch eine spezifische Mutation des GNAQ-Gens, das ein Guanin-Nukleotid-bindendes Protein G kodiert, kommt es zur Aktivierung des mitogen-aktivierten Protein-Kinase (MAPK)-Signalweges. Derselbe Effekt kann durch einen Funktionsverlust von negativen Modulatoren dieses Signalweges (z. B. RASA1) hervorgerufen werden. RASA1-Mutationen sind ursächlich für das autosomal-dominant erbliche Krankheitsbild CM- AVM und dessen nichterbliche Variante, das Parkes Weber-Syndrom. Neben dem MAPK-Signalweg spielt der PI3K-AKT-mTOR-Weg eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von KM. Aktivierende Mutationen in Aktivatoren des Signalweges (PIK3CA und AKT) sind ursächlich für das MCAP-, das CLOVES-Syndrom und das Proteus-Syndrom, die jeweils sporadisch auftreten, also nicht weitervererbt werden. Mutationen, die den Ausfall negativer Modulatoren (PTEN-Gen) bedingen, sind ursächlich für das autosomal-dominant erbliche Cowden-Syndrom und seine nicht erbliche Typ2-Variante. Auch beim autosomal-rezessiv erblichen Syndrom aus Mikrozephalie und kapillären Malformationen (MICCAP) wird auf der Basis von STAMBP- (Signal-transducing adaptor molecule-) Mutationen eine Aktivierung dieser beiden Signalübertragungswege angenommen.