Übersicht — Klassifikation der Gefäßanomalien

Die ISSVA-Klassifikation unterteilt Gefäßanomalien in vaskuläre Tumoren und vaskuläre Malformationen. Die Gruppe der Gefäßtumoren schließt, je nach biologischem Wachstumsverhalten, benigne, lokal aggressive oder Borderline und maligne Gefäßtumoren ein. Vaskuläre Malformationen werden dagegen, je nach vorherrschender Gefäßart, in einfache, kombinierte, nach großen Gefäßen benannte und mit anderen Anomalien assoziierte Malformationen eingeteilt. In einer Übersichtstabelle wird die Klassifikation zusammengefasst. In den nachfolgenden Kapiteln erfolgt eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Gefäßanomalien.

Vereinfachte Klassifikation von Gefäßanomalien

Vasculäre Tumoren

Benigne

Lokal aggressiv oder borderline

Maligne

 

Vasculäre Malformationen

Einfache Malformationen

(Kapillär KM, Venös VM, Lymphatisch LM, Arteriovenös AVM)

Kombinierte Malformationen

(z. B. CVM, LVM, CLVM, C-AVM etc.)

Malformationen „benannt nach großen Gefäßen“

(z. B. Marginalvene)

Malformationen „assoziiert mit anderen Anomalien“

(z. B. Klippel-Trénaunay-Syndrom, Parkes-Weber-Syndrom etc.)

 

Vaskuläre Tumoren sind echte Gefäßtumoren deren Endothel proliferiert, somit zeigen sie ein echtes solides Zellwachstum von Gewebe. Sie betreffen zumeist Säuglinge und Kinder und müssen bei Geburt nicht vollständig ausgeprägt sein. Im Gegensatz zu Malformationen können sie sich wenige Wochen bis Monate nach Geburt entwickeln und in der häufigsten benignen Variante (Infantiles Hämangiom) nach einer Proliferationsphase durchaus zwischen dem 1. bis 6. Lebensjahr spontan involutieren. Der mit Abstand häufigste Vertreter dieser Gruppe ist das infantile Hämangiom. Nur diese Läsionen werden zurecht als Hämangiome bezeichnet. Andere Gefäßtumoren sind sehr selten.

Vaskuläre Malformationen dagegen beruhen auf variablen angiogenetischen und vaskulogenetischen Fehlbildungen der Gefäßreifung (Gefäßentwicklungsstörung), die bereits bei Geburt vorliegen. Gefäßmalformationen sind somit fehlgebildete Gefäßräume, die nicht solide sind und Blut oder Lymphflüssigkeit enthalten. Sie weisen meist keine eigentliche endotheliale Proliferation auf und können sich lange Zeit klinisch stumm verhalten, bevor sie im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter, oft durch äußere Einflüsse, zur Vergrößerung angeregt und klinisch manifest werden. Dann treten sie in unterschiedlicher Ausprägung an allen Körperregionen auf und gehen mit einer Vielzahl von ganz verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern einher. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu vaskulären Tumoren ist auch die fehlende Rückbildungsfähigkeit. Vielmehr wachsen Malformationen mit zunehmendem Alter des Patienten meist proportional zum Körperwachstum und können durch ihre progrediente Vergrößerung schwerwiegende Beschwerden verursachen. Sie bestehen entweder nur aus einer Entwicklungsstörung, z. B. venöse Malformation bei fehlgebildeten Venen (einfache Malformation), oder einer Kombination von mehreren fehlentwickelten Gefäßarten, z. B. einer venolymphatischen Malformation (kombinierte Malformation).

Wenn neben den Gefäßen auch noch andere Gewebe eine Fehlentwicklung zeigen (meist Fettgewebe, Muskulatur, Knochen), häufig in Form einer Hyperplasie, so bilden diese Symptomkonstellationen ein typisches Syndrom, z. B. das Klippel-Trénaunay-Syndrom (kombinierte kapillär-venolymphatische Malformation mit Weichteilgewebs- und Extremitätenvergrößerung) und werden als „Gefäßmalformation assoziiert mit anderen Anomalien“ bezeichnet.