Typische Problemfelder für Patienten mit Gefäßanomalien

Ein Brainstorming Betroffener und Angehöriger

Gefäßanomalien betreffen den ganzen Menschen. Eine umfassende Definition von Gesundheit, die neben körperlichen auch psychische und soziale Gesundheit umfasst, ist die Grundlage für eine Analyse der Erkrankung aus der Sicht der Betroffenen und deren Angehörigen. Die dabei definierten Problemfelder werden im Folgenden noch einmal stichpunktartig zusammengefasst dargestellt.

Typische körperliche Problemfelder

Folgende körperliche Funktionseinschränkungen oder Anomalien werden besonders häufig genannt:

  • Feuermale
  • Wachstumsstörungen (Umfang- und Längenunterschiede von Extremitäten, dysproportionales Größenwachstum)
  • Schmerzen in Ruhe und bei Bewegung
  • Blutungen nach außen
  • Einblutungen
  • Dilatierte, häufig auch sichtbare Gefäße, auch bereits im Kindesalter, meistens als Varizenbildung
  • Thrombophlebitis
  • Weichteilschwellungen
  • Schwere- und Druckgefühl
  • Überwärmung der betroffenen Bereiche
  • Wiederkehrende Beschwerden

Weitere häufige Nennungen im körperlichen Bereich sind:

  • Sich verstärkende Schmerzen bei Hitze
  • Belastungen, langem Stehen oder Sitzen
  • Spannungen der Haut
  • Brennen
  • Missempfindung im betroffenen Bein
  • Venenentzündungen
  • AV-Fisteln
  • Aneurysmen
  • Wiederkehrende Erysipele
  • Schwangerschaft kann Symptome verstärken bis zur Risikoschwangerschaft
  • Angiokeratome
  • Operationsrisiken erhöht
  • In anderen Gesundheitsbereichen werden besondere Maßnahmen notwendig, z. B. individuelle Anästhesietechniken, die unangenehm sind
  • Erhöhte Verletzungsgefahr
  • Thrombosen
  • Embolien

Auch begleitende Erkrankungserscheinungen oder Folgeerkrankungen werden oft genannt:

  • Folgeschäden durch fehlende, zu späte oder falsche Therapien
  • Folgeschäden durch Schonhaltung, z. B. Spitzfuß
  • Humpeln
  • Unterschiedliche Fuß-/Schuhgrößen
  • Fehlstellungen des Skelettapparates, z. B. Skoliose
  • Hüftfehlstellungen
  • Frühzeitiger Gelenkverschleiß (u. a. angiodysplastische Arthropathie)
  • Funktionseinschränkungen in betroffenen Bereichen
  • Funktionsverlust von Körperteilen oder Organen
  • Amputationen
  • Narben
  • Herzrhythmusstörungen
  • Funktionseinschränkungen in betroffenen Bereichen
  • Auftreten schwerwiegender Komplikationen
  • Funktionsverlust von Körperteilen oder Organen
  • Wundheilungsstörungen nach Verletzungen oder Operationen
  • Ulcus cruris (offenes Bein)
  • Mangelnde Belastbarkeit
  • Muskelatrophie
  • Schlafmangel aufgrund von Schmerzen
  • Hohe Schmerzmitteldosierung, Schmerztherapie
  • Fehlende Möglichkeit, Schmerzen in anderen Körperregionen als Warnsignal erkennen

Typische seelische Problemfelder

Auch die Psyche wird von der Erkrankung wesentlich beeinflusst, daraus resultieren seelische Problemfelder, die im Folgenden dargestellt werden.

Persönlichkeitsfelder:

  • Ohnmachtsgefühl
  • Hilflosigkeit
  • Mutlosigkeit
  • Schamgefühle
  • Schüchternheit
  • Schuldgefühle
  • Überforderung durch die plötzlich neue Situation oder den Alltag damit
  • Dauerstress
  • Hoffnungen werden immer wieder zunichte gemacht, müssen neu aufgebaut werden
  • Rückzug
  • Depression
  • Wut
  • Minderwertigkeitsgefühle
  • Misstrauen und/oder Schwierigkeiten Vertrauen aufzubauen
  • Frage und Angst nach der Vererbarkeit der Krankheit
  • Probleme, das „Ich“ selbstbewußt wahrzunehmen und rücksichtsvoll mit sich umzugehen
  • Ertragen anders zu sein
  • Ertragen von ständigem Angesehen bis hin zu Angegafft werden
  • Angesprochen werden auf die Erkrankung, z. B. „Was ist das, kann man da gar nichts dagegen machen, ist das Hautkrebs“?
  • Es wird mit Fingern auf einen gezeigt und ausgelacht, kleine Kinder erschrecken sich manchmal und fangen an zu weinen
  • Beleidigungen über sich ergehen lassen, z. B. in der Disco: „Kannst du nicht nach Hause gehen ich will mich amüsieren und nicht dabei so eine Fresse sehen“
  • Ertragen, übersehen oder ausgegrenzt zu werden

Umgang und Bewältigung der Erkrankung:

  • Unsicherheit bei Entscheidungen zu Diagnose und Therapie
  • Unsicherheit im Umgang mit den Folgen und Begleiterscheinungen: Therapien, Blutungen, Schmerzen, Wut, Rückzug, Schulverweigerung, Pubertätsthemen
  • Verweigern von ärztlicher Behandlung, besonders in der Pubertät
  • Therapiemüdigkeit, Wartezeiten auf Facharzt- und OP-Termine aushalten
  • Schwierige Zeit der Transition von Kinder- in die Erwachsenenmedizin
  • Aushalten, trotz Zusage keine Antworten/Rückmeldungen zu Ergebnissen bekommen
  • Arztkontakte manchmal enttäuschend in Verlauf und Ergebnis
  • Ständige Rücksichtnahme und Zurückstellen eigener Bedürfnisse
  • Ausgleichen der verschiedenen Bedürfnisse innerhalb der Familie
  • Worte finden für die eigene Erkrankung um im Alltag reagieren zu können

Sorgen und Ängste:

  • Dass die Kräfte nicht reichen um mit der Erkrankung zu leben, sie auszuhalten
  • Nicht oder nicht genug helfen zu können
  • Vor der Zukunft
  • Vor Embolien
  • Vor Schmerzen
  • Vor Operationen
  • Vor Entscheidungen zu Ärzten oder Therapien
  • Kann ich/können wir die verschiedenen Bedürfnisse innerhalb der Familie oder Beziehung ausgleichen?
  • Schafft mein Partner / schaffen wir das?

Typische soziale Problemfelder

Auch das Erleben von Gemeinschaft mit anderen nichtbetroffenen Menschen wird von der Erkrankung beeinflusst und im Folgenden aufgewiesen.

Soziale Kontakte:

  • Schüchternheit
  • Rückzug
  • Vereinsamung
  • Halo-Effekt: häufig Einstufung durch Andere als minderwertiger, weniger kompetent, weniger leistungsfähig, weniger durchsetzungsstark
  • Mangelnde Barrierefreiheit schränkt Freizeiten stark ein

Finanzen:

  • Weniger Einkommen durch Einschränkungen im Beruf
  • Mehrkosten im Alltag durch zu geringe Übernahmesätze
  • Bei Eintritt einer Erwerbsminderung droht eine niedrigere Rente, bis hin zu Altersarmut, weil Beschäftigungsjahre fehlen
  • Keine Rücklagenbildung möglich für das Alter, für besondere Anschaffungen, für Zusatzleistungen der KK wie z. B. professionelle Zahnreinigung, Implantate

Gesundheitliche Absicherung:

  • Ärger mit der Krankenkasse wegen Kostenübernahmen
  • Organisationsaufwand für Kostenübernahmen bei Krankenkassen oder Sozialleistungsträgern
  • Geringerer möglicher Versicherungsschutz: Keine Berufsunfähigkeitsversicherung, kein Krankenhaustagegeld

Typische berufliche Problemfelder

Auch auf den Schul- und Arbeitsalltag hat die Erkrankung Auswirkungen.

Schule:

  • Fehlzeiten
  • Wiederholung des Schuljahres
  • Integration in den Klassenverband manchmal schwierig
  • Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund von Schmerzen oder anderen Beschwerden
  • Unvorbereitete Lehrer, Schüler, Kollegen
  • Medizinische Versorgung auf Klassenfahrten, keine kompetenten Ärzte vor Ort

Beruf:

  • Längere Arbeitsunfähigkeitszeiten
  • Eingeschränkte Berufswahl
  • Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund von Schmerzen oder anderen Beschwerden
  • Bei längerer Arbeitsunfähigkeit kann eine Kündigung erfolgen
  • Geringere Aufstiegschancen/Beförderungen
  • Es wird einem weniger Kompetenz und Durchsetzungsvermögen zugetraut
  • Geringeres Einkommen durch die verschiedenen Einschränkungen im Beruf
  • Schwerbehindertenstatus mit Vor- und Nachteilen bei Bewerbungen (Kündigungsschutz schreckt z. B. einige Arbeitgeber ab)