Typische Gerinnungsanomalien

Abhängig von der Art und Größe der Gefäßanomalie gibt es typische Arten von Gerinnungsanomalien die mit Gefäßanomalien assoziiert sind:

  • Ständige lokale Aktivierung der Blutgerinnung durch stagnierendes Blut innerhalb einer Slow-flow Malformation (Lokalisierte Intravasale Gerinnung, localised intravascular coagulation, LIC). Dies betrifft vor allem großvolumige venöse Malformationen und sehr selten akut eingeblutete, große lymphatische Malformationen.
  • Thrombozytenaktivierung und -verbrauch bei gleichzeitiger Gerinnungsaktivierung bei bestimmten Gefäßtumoren mit ausgeprägter tiefer Thrombozytopenie (Kasabach-Merritt-Phänomen, KMP). Dies betrifft vor allem die beiden semimalignen Gefäßtumoren kaposiformes Hämangioendotheliom (KHE) und das histologisch sehr ähnliche Tufted Angioma (TA).
  • Einen sehr seltenen Sonderfall bildet die Multifocal Lymphangioendotheliomatosis with Thrombocytopenia (MLT), auch Cutaneovisceral Angiomatosis with Thrombocytopenia (CAT) genannt, mit disseminierten, meist sehr kleinen, z. T. exophytischen rötlichen Gefäßtumoren (mit Lymphgefäßendothel) an der Haut und immer gleichzeitig auch im Gastrointestinaltrakt, die ebenfalls zu einer schweren Thrombozytopenie führen können.

Die tiefer gelegenen, intramuskulären, großen venösen Malformationen (VM) bestehen aus blutgefüllten großen endothelausgekleideten Räumen mit dysplastischem Endothel und dysfunktionaler Gefäßwand in der Läsion. Das darin enthaltene Blut zeigt praktisch kaum Blutfluss bzw. eine vollständige Stase des Blutes. Dies führt zu einer permanenten Bildung von kleinen Mikrothromben in Form von kleinen Blutgerinnseln und gleichzeitig als Gegensteuerung zu einer sekundären aktivierten Fibrinolyse. Insgesamt drückt sich dies klinisch als permanente lokalisierte intravasale Gerinnung (LIC) innerhalb der venösen Malformation aus. Durch die lokale Gerinnungsaktivierung in der Gefäßanomalie mit Thrombin-Bildung und intravaskulärer Fibrin-Deposition kommt es parallel zu einer sekundären Hyperfibrinolyse und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, v. a. der Gerinnungsbausteine Fibrinogen, Faktor XIII und Antiplasmin.

Über diese lokalisierten Gerinnungsvorgänge innerhalb der venösen Malformation entstehen auch zeitweise größere lokale Thromben, die zu häufigen kurzen oder länger andauernden schmerzhaften Thrombophlebitiden innerhalb der venösen Malformation führen. Chronische Thrombophlebitiden führen zu der für eine venöse Malformation typischen Bildung von Phlebolithen. Diese können durch normale Umbauvorgänge im Laufe der Zeit aus Thromben entstehen, die sich langsam während des Abbaus über Kollageneinlagerung organisieren. Diese bilden dann über eine zunehmende, schalenartige Anbindung von Calcium eine konsekutive kugelige oder popkornartige Verkalkung (= Phlebolith).

Folgende Übersichtstabelle fasst die Gerinnungsphänomene zusammen:

 Kasabach-Merritt-PhänomenLIC/DIC
KlinikSäugling mit hartem, rotbläulichem GefäßtumorJugendlicher/junger Erwachsener mit großvolumiger VM an Extremität oder Rumpf
Assoziierte GefäßanomalieKasposiformes Hämangioendotheliom (KHE) / Tufted Angioma (TA)Venöse Malformation
HäufigkeitBis zu 45 % im ersten Lebensjahr bei KHE/TA40 %–58 % aller Patienten mit sehr großer VM
LaborkonstellationThrombozyten ↓ ↓ ↓ ↓
D-Dimere ↑ ↑
Fibrinogen (↓)
D-Dimere ↑ ↑ ↑
Fibrinogen ↓ ↓
Thrombozyten (↓)
UrsacheThromobozytenaktivierung an dysplastischem Tumorendothel mit Trapping, vor allem sekundäre GerinnungsaktivierungAktivierung der plasmatischen Gerinnung durch Stase in großen, stagnierenden blutgefüllten Lakunen der venösen Malformation, gestörte Endothelfunktion
Risiko VerschlechterungGabe von ThrombozytenkonzentratenWeitere Gerinnungsaktivierung durch offene Operation, Sklerosierung, Trauma, Immobilisation, etc. mit Umschlagen in eine DIC
ProphylaxeHeparin, ASS, ggf. TiclopidinHeparin (bereits mindestens 3 Tage vor größeren geplanten Eingriffen)
TherapieTransarterielle Embolisation des Tumors, Kompressionstherapie,
Heparin, ASS, Ticlopidin, Sirolimus, ggf. Operation
Heparin, ggf.
Gerinnungsfaktorensubstitution,
Kompressionstherapie, ggf. Sklerosierung und Operation