Infantiles Hämangiom

Infantile Hämangiome (IH) sind sehr häufige, in typischen Phasen zunächst wachsende und sich zurückbildende, dem Plazentagewebe in ihrer Antigenstruktur ähnliche, vaskuläre Tumoren, für deren Entstehung eine lokale oder regionale Gewebehypoxie als möglicher pathogenetischer Faktor diskutiert wird. Sie bilden sich in den meisten Fällen spontan wieder zurück, können aber Veränderungen der Haut oder des Unterhautgewebes hinterlassen. Sie müssen einerseits von anderen Gefäßtumoren, z. B. dem kaposiformen Hämangioendotheliom (KHE) oder dem Granuloma pyogenicum, und andererseits von arteriellen, venösen, lymphatischen oder kombinierten Malformationen des Gefäßsystems abgegrenzt werden. In der feingeweblichen Untersuchung, die im klinischen Alltag nur sehr selten erforderlich ist, gelingt dies unter anderem durch den immunhistochemischen Nachweis des Glukose-Transporters GLUT1.

Als die häufigsten gutartigen Hauttumoren im Kindesalter treten infantile Hämangiome bei bis zu 5 % aller Säuglinge auf. Sie sind durch ihre typische Wachstumsdynamik charakterisiert und manifestieren sich erst nach der Geburt. In der überwiegenden Mehrzahl werden infantile Hämangiome erst nach einigen Lebenswochen sichtbar als sich vergrößernde, oft etwas erhabene, himbeerrote Flecken mit scharfer Berandung, um dann in den folgenden Lebenswochen und -monaten schnell an Größe zuzunehmen. Anschließend zeigen sie einen Wachstumsstillstand (Plateauphase), bis schließlich um den ersten Geburtstag herum eine spontane Rückbildung einsetzt, die zwischen dem vierten und achten Lebensjahr sehr häufig abgeschlossen ist. Nicht selten verbleiben insbesondere bei großen, ulzerierten oder unbehandelten IH jedoch lokale Teleangiektasien, Pigmentverschiebungen, Cutis laxa oder weiche, fettig-fibröse Weichteilgewebsvermehrungen zurück. Aufgrund dieser eigenständigen Rückbildung, die in einem hohen Prozentsatz betroffener Kinder eintritt, ist eine invasive Behandlung des IH in der Regel nicht nötig.

Die Abbildung (Foto eines typischen unkomplizierten IH...) zeigt ein unkompliziertes infantiles Hämangiom im Bereich des rechten Handgelenks, das vor dem Hintergrund der zu erwartenden, spontanen Rückbildung keiner spezifischen Therapie bedarf.

Von dieser Gruppe unproblematischer Hämangiome sind komplizierte Verlaufsformen des IH abzugrenzen, zu deren Therapie im Säuglingsalter der Betablocker Propranolol zugelassen ist:

  • IH in schwieriger Lokalisation (z. B. Gesicht, Auge, anogenital)
  • Ulzerierende IH
  • Segmentale IH
  • Multifokale IH (Hämangiomatosen)

Infantile Hämangiome in schwieriger Lokalisation sind mit dem Risiko einer funktionellen Beeinträchtigung assoziiert. Dies gilt insbesondere für infantile Hämangiome im Mittegelgesichtsbereich wie z. B. an den Augenlidern, die zu einer Sehminderung bis hin zur Erblindung des betroffenen Auges durch eine Verlegung der Pupille führen können.

Außerdem können an den Lippen lokalisierte Iinfantile Hämangiome im Säuglingsalter mit einer Trinkschwäche verbunden sein. Zusätzlich wachsen infantile Hämangiome an der Nasenspitze häufig schnell und können zu einer entstellenden, bleibenden Verformung der Nase führen. Hinzu kommt, dass infantile Hämangiome in den genannten, gut sichtbaren Lokalisationen mit einer psychosozialen Belastung betroffener Kinder und ihrer Eltern einhergehen können.

Ulzerierende infantile Hämangiome zeigen tieferliegende Hautdefekte und treten bevorzugt an den Lippen sowie in den Körperfalten auf, insbesondere z. B. im Windelbereich, an den Achseln oder an der Halsfalte.

Ulzerationen sind oft sehr schmerzhaft, weisen ein erhöhtes Infektionsrisiko auf und können unter Narbenbildung abheilen. Daher sollten sie behandelt werden. Hierbei können kleine und oberflächliche Ulzerationen häufig durch ein sorgfältiges Wundmanagement kontrolliert werden. Bleibt dieser Therapieansatz erfolglos, sollte insbesondere auch bei assoziierten Schmerzen immer auch eine orale Behandlung mit Propranolol eingeleitet werden.

Segmentale infantile Hämangiome umfassen eher flächige, spezifische anatomische Areale entlang embryonaler, neuroektodermaler Wachstumslinien (z. B. im Gesicht, lumbosakral), machen etwa ein Siebtel der infantilen Hämangiome aus und treten nicht selten assoziiert mit anderen Fehlbildungen auf. Das bekannteste Beispiel für komplizierte, segmentale infantile Hämangiome stellt das sog. PHACE-Syndrom dar. Die englische Abkürzung PHACE beschreibt hierbei das gemeinsame Auftreten von Hirnfehlbildungen im Bereich der hinteren Schädelgrube mit einem großen Hämangiom im Gesichtsbereich sowie mit Augenfehlbildungen und Blutgefäß- bzw. Herz-Anomalien. Wie auch bei anderen infantilen Hämangiomen im Gesicht ergeben sich zunächst kosmetische und psychosoziale Probleme. Zusätzlich sind einzelne Segmente mit typischen Risiken assoziiert. So können das Ober- oder Unterlid betroffen sein und zu Sehminderung oder sogar Erblindung führen. Darüber hinaus können bei PHACE-Hämangiomen am mittleren Unterkiefer, der sog. Bart-Region, zusätzliche Hämangiome in der Luftröhre vorhanden sein, so dass eine weiterführende Diagnostik (Laryngotracheoskopie) erforderlich ist. Säuglinge mit PHACE-Syndrom benötigen ebenfalls eine Propranolol-Therapie, die in einem erfahrenen Zentrum eingeleitet werden sollte.

Von multifokalen infantilen Hämangiomen, die auch als neonatale Hämangiomatosen bezeichnet werden, spricht man, wenn ein Säugling mehr als fünf, laut manchen Experten auch mehr als zehn Hämangiome entwickelt. Während die Mehrzahl betroffener Kinder keine weiteren Auffälligkeiten zeigt, können in einigen Fällen auch in anderen Organen zusätzliche IH auftreten. Dies muss diagnostiziert werden (z. B. mit Ultraschall). Schwerwiegende Komplikationen wie beispielsweise Blutungen im Magen-Darm-Trakt oder eine Überlastung des Herzens durch zahlreiche Leberhämangiome werden jedoch glücklicherweise nur selten beobachtet. Die Therapie der Wahl symptomatischer, multifokaler infantiler Hämangiome mit Organbeteiligung stellt ebenfalls die systemische Propranolol-Gabe dar.