Antikoagulation – Indikation und Durchführung

Das Risiko einer Thrombose oder Thrombembolie ist besonders erhöht bei folgenden Patienten, bei denen eine vorübergehende oder permanente Antikoagulation geprüft werden muss:

  • Patienten mit einfachen, kombinierten oder syndromatischen venösen Malformationen, bei denen eine große dysplastische, dilatierte tubuläre Vene (klassisches Beispiel die laterale Marginalvene bei Patienten mit Klippel-Trénaunay-Syndrom) Anschluss an das tiefe Leitvenensystem hat. Hier kann ein sich häufig in der venösen Malformation bildender Thrombus leicht in das tiefe Leitvenensystem oder weiter bis nach pulmonal gespült werden mit der Folge einer Lungenembolie.
  • Patienten mit einfachen, kombinierten oder syndromatischen spongiösen oder tubulären venösen Malformationen, die relevante Kommunikationsvenen bzw. Drainageverbindungsvenen aus der venösen Malformation ins tiefe Leitvenensystem haben. Die Gerinnsel, die sich stasebedingt ständig in der venösen Malformation bilden können (LIC), werden dann über diese Kommunikationsvenen ebenfalls nach zentral abschwemmen. Es besteht eine relevante Thrombose, Thrombembolie.
  • Patienten mit aneurysmatisch erweitertem, dysplastischen tiefen Leitvenensystem (vor allem Venen popliteal, iliacal und im Bereich der Vena axillaris oder Vena subclavia).
  • Eine weitere Patientengruppe mit einer eventuellen Indikation zur Antikoagulation, zumindest für wenige Tage bis Wochen, sind Patienten mit häufigen Thrombophlebitiden innerhalb der venösen Malformation, die schmerzhaft sind oder aufgrund ihrer Lage (z. B. gelenksnah, knochennah, nervennah) zu Funktionseinschränkungen führen.
  • Patienten mit riesigen arteriovenösen Malformationen, die massiv dilatierte drainierende Venen aufweisen. Unmittelbar nach erfolgreicher Therapie der arteriovenösen Malformation mit Verschluss der arteriovenösen Shunts sind diese Venen initial noch deutlich erweitert, der Durchfluss jedoch massiv vermindert und die Thrombosegefahr damit erhöht.

Grundsatz der gesamten Gerinnungstherapie ist, soweit möglich, zunächst das meist invasive Ausschalten der Ursache der Gerinnungsstörung bzw. des erhöhten Thromboserisikos, also der venösen Malformation (mit Kommunikationsvenen):

  • In erster Linie die Sklerotherapie oder Resektion der Lokalisation der venösen Malformation, in der immer wieder Thrombophlebitiden auftreten, die meist lokalisiert sind.
  • Verschluss der Verbindung der Kommunikations- bzw. Drainagevenen aus der tubulären (z. B. Marginalvene) oder spongiformen (z. B. große intramuskuläre) venösen Malformation ins abführende Leitvenensystem. Dies kann entweder minimal-invasiv (z. B. mittels Platincoils, Amplatzer Vascular Plugs, Radiofrequenzablation, Alkoholgel) oder offen chirurgisch mittels Ligatur und gegebenenfalls Resektion erfolgen.

Bei erfolgreicher Durchführung dieser invasiven Maßnahmen kann die Indikation zur medikamentösen Antikoagulation als Langzeittherapie eventuell entfallen, sie ist dann nur als Überbrückung bis zur definitiven Sanierung zu sehen.

Basis der Durchführung der medikamentösen Antikoagulationstherapie bei Gefäßanomalien ist eine milde Hemmung der plasmatischen Gerinnung, meist mit Anti-Xa-Inhibitoren.

Klassische Therapie ist die Gabe eines niedermolekularen Heparins (LMWH) in Prophylaxedosis. Bei stärkeren Schmerzen und Thrombophlebitiden innerhalb einer venösen Malformation ist Heparin sehr gut wirksam, z. B. 5 bis 7 Tage in Prophylaxedosis. Bei stärkeren, so nicht dauerhaft gebesserten Schmerzen kann die Heparintherapie auch verlängert werden, z. B. auf 21 Tage.

Bei Verdacht auf eine ausgedehnte LIC innerhalb einer großen venösen Malformation, mit auffälligem Labor (insbesondere bei niedrigem oder niedrig normalem Fibrinogenspiegel bei gleichzeitig stark erhöhten D-Dimeren), ausgedehnten Thromben innerhalb der venösen Malformation in der Bildgebung (v. a. sichtbar im MRT und in der Sonographie) und großvolumiger, intramuskulärer venöser Malformation, muss die Gabe des Heparin bereits mindestens 3 Tage vor einem invasiven Eingriff erfolgen. Dies zur Prophylaxe des Umschlagens der LIC in eine DIC mit konsekutivem totalen Gerinnungsversagen. Dies sollte man danach mindestens 20 Tage postoperativ weiterführen.

Die direkten oralen Antikoagulatien sind pharmakodynamisch ähnlich zu Heparin und klinisch nach bisherigen Erfahrungen bei Gefäßmalformationen ebenfalls sehr gut wirksam. Größere Studien hierzu liegen jedoch noch nicht vor und es handelt sich um einen „off-label use“, der aufgeklärt werden muss, da die Medikamente derzeit dafür nicht zugelassen sind.

Kasuistische Erfahrungen zu Rivaroxaban und Apixaban in prophylaktischer Dosis zeigten eine gute klinische Wirksamkeit sowohl hinsichtlich der Vermeidung von Schmerzen und Thrombophlebitiden als auch hinsichtlich der Vermeidung von thrombembolischen Episoden.

Eine Langzeitantikoagulation, entweder mit Vitamin-K-Antagonisten oder direkten oralen Antikoagulatien, kann erwogen werden bei häufig rezidivierenden, schweren schmerzhaften Thrombophlebitiden oder einem dauerhaft erhöhten Thrombembolierisiko. Hier ist jedoch zu prüfen, ob das gleiche Ziel nicht auch kausal durch entsprechende invasive Maßnahmen erzielt werden kann (Verschluss der Kommunikationsvenen).

Die Therapie mit ASS erscheint in der Behandlung der Komplikationen einer venösen Malformation nicht effektiv aus pathophysiologischen Gründen, da die Thrombozytenaggregation hier eine untergeordnete Rolle spielt.