Die Klassifikation der Gefäßanomalien

Gefäßmalformationen und Gefäßtumoren werden unter dem Überbegriff Gefäßanomalien zusammengefasst und sind seltene Erkrankungen (orphan disease; Prävalenz weniger als 5 von 10.000 Personen). Diagnostik und Therapie erfordern interdisziplinäre Behandlungskonzepte eines erfahrenen Teams. Klinisches Erscheinungsbild, pathophysiologische Zusammensetzung, genetische Grundlagen und bildgebende Charakterisierung von Gefäßmalformationen und Gefäßtumoren sind vielfältig und weisen gelegentlich auch Überschneidungen auf.

Die entsprechenden Läsionen wurden von unterschiedlichen Fachdisziplinen in der Vergangenheit mit verschiedenen, zum Teil überlagernden, unpräzisen oder gar falschen Namen benannt. Typische Beispiele hierfür sind: „Periphere Gefäßfehler, Angiome, Gefäßmalformationen, AV-Angiome, Angiodysplasien, Kavernöse Hämangiome, Gefäßtumoren, Angiokavernome, AV-Malformationen, Angeborene Gefäßfehler, Gefäßmissbildungen oder Gefäßfehlbildungen“. Auch wurden zahlreiche unterschiedliche Läsionen als „Hämangiome“ oder „AV-Malformationen“ zusammengefasst, obwohl ihnen ein ganz anderer Gefäßfehler zugrunde lag. Die oft inkorrekte Bezeichnung als „Syndrom“ (z. B. Klippel-Trénaunay, FP-Weber, Servelle-Martorell, Robertson, McCook, Hernandez, Parkes-Weber-Syndrom) hielt die uneinheitliche, zu Verwirrung führende Nomenklatur, aufrecht.

Basierend auf den Vorarbeiten von Mulliken und Glowacki wurde 1982 die erste Klassifikation von Hämangiomen und Gefäßmalformationen, basierend auf ihrer endothelialen Charakterisierung, veröffentlicht. Diese Grundlagen wurden ab dem Jahre 1992 von einem internationalen Expertenteam, der „International Society for the Study of Vascular Anomalies“ (kurz ISSVA), überarbeitet und weiter entwickelt, sodass heute eine wesentlich umfangreichere und genauere Klassifikation von Gefäßanomalien erstellt werden konnte. Ziel war die Etablierung einer einheitlichen Nomenklatur, die für alle an der Behandlung beteiligten Fachdisziplinen eine Grundlage für Diagnostik und Therapie von Gefäßanomalien bilden sollte. Korrekte Diagnose, Bezeichnung und Differentialdiagnose sind die Basis für eine symptom- und ursachenorientierte interdisziplinäre Behandlung und Betreuung von Patienten mit Gefäßanomalien.

Im Jahre 2018 erfolgte eine grundlegende Aktualisierung der ISSVA-Klassifikation der Gefäßanomalien, die einen unumstrittenen Stellenwert in der Einteilung und Zuordnung von Gefäßmalformationen und Gefäßtumoren einnimmt.