Arten des Schmerzes bei Gefäßmalformationen

  • Kapitel: Schmerztherapie und Anästhesie

    Artikel: 2 von 8

    Update: 2020/02/16

  • Autor/en: Kramer, Jens

Im Rahmen des natürlichen Verlaufs einer Gefäßmalformation und auch im Verlauf der Behandlung können verschiedene Schmerzarten auftreten. Grundsätzlich können Schmerzen dabei sowohl nach ihrem Entstehungsort bzw. der Ursache als auch nach der Zeitdauer eingeteilt werden.

Art und Ursache des Schmerzes

Schmerzauslösend ist in die Erregung von Nozizeptoren im Gewebe. Diese freien Nervenendigungen können durch verschiedenste Reize stimuliert werden: endogene chemische Reize (z. B. Prostaglandine, Zytokine u. v. m.), exogene Reize (Druck, Wärme, Kälte, etc.).

Nach Lokalisation und Region im Körper entstehen dabei folgende Schmerzarten:

SchmerzartKennzeichen 
Nozizeptiver SchmerzWeichteil
(Bindegewebe, Muskel,
Sehnen, Bänder)
  • Dumpf, drückend
  • Oft gut lokalisierbar
  • Ausstrahlung möglich
 Knochenschmerz
  • Stechend, bohrend
  • Gut lokalisierbar
  • Schmerzspitzen durch Bewegung
 Viszeraler Schmerz
  • Krampfartig, diffus, dumpf
  • Schmerzprojektion
  • Mitreaktion von umliegendem Gewebe
  • Reflektorische Muskelverspannung
Neuropathischer SchmerzVerschiedenste Auslöser und Schädigungen:
  • Zoster, Diabetes mellitus, Phantomschmerz, u.a.
  • Mechanisch, entzündlich, stoffwechselbedingt
  • Brennender Dauerschmerz
  • Elektrisierend/einschießend
  • Ausbreitung im Nervenversorgungsgebiet
  • Sensorische Dysfunktion möglich (Missempfindungen, gestörtes Kälte-/Wärmeempfinden

Die Schmerzen, die vor der Behandlung einer Gefäßmalformation auftreten, können nicht selten auf die zugrundeliegende Art der Gefäßmalformation hinweisen:

MalformationSchmerzauslöserSymptom
Venös
Symptome venöser Malformationen
Rezidivierende Thrombophlebitis
  • Lokale Schwellung und Verhärtung
  • Rötung
 Hoher Venendruck durch
eine Abflussstörung
  • Druck- und Spannung im Unterschenkel/Fuß
  • vorzugweise beim Stehen/langem Sitzen
Arteriell
Symptome arteriovenöser Malformationen
AV-Shunts mit Venenhochdruck
  • Ischämieschmerz
  • Wundheilungsstörungen an Extremitäten durch
    mangelnde Gewebeversorgung
  • Wundinfekt

Auch der Zeitpunkt des Einsetzens von Schmerzen spielt eine Rolle.

Unmittelbar während der Behandlung, Intervention/Operation:

  • Direkte Schmerzen durch die Punktion und die Intervention/Operation
  • Schmerzen durch injizierte Medikamente
  • Schmerzen durch therapieinduzierte akute Ischämie oder Entzündung

Nach der Behandlung (postoperativ):

  • Wundschmerzen bei Einsetzen der Wundheilung bzw. bei etwaigen entzündlichen Umbauprozessen im betroffenen Gewebe

Für chronische Schmerzen, nicht nur im Rahmen von Gefäßmalformationen, gelten hinsichtlich der Entstehung und Behandlung zwei wichtige Umschreibungen: multifaktoriell und interdisziplinär.

Ursachen für chronische Schmerzen

  • Chronifizierung von Schmerzen kann im Rahmen falscher oder fehlender Behandlung der Malformation bzw. der postinterventionellen Nachbehandlung entstehen.
  • Arthrosen mit dauerhafter schmerzbedingter Schonhaltung können aufgrund ausgeprägter Gefäßmalformationen eine Funktionseinschränkung bewirken.
  • Chronische Wunden insbesondere bei AVM sind dann besonders schmerzhaft, wenn ein zusätzlicher Infekt vorliegt (Indikatorfunktion).
  • Chronisch-venöse Hypertonie bzw. chronisch-venöse Insuffizienz können insbesondere bei Belastung zu Dauerschmerz führen.
  • Gerade das Krankheitsbild der FAVA (fibro adipose vascular anomaly) führt neben einer progredienten Kontraktur der Wade oft zu chronischen, schwer behandelbaren neuropathischen Schmerzen, wohl aufgrund einer intraneuralen Durchsetzung peripherer Nerven durch das Gewebe.
  • Psychosoziale Faktoren.
  • u. v. m.

Typische Kennzeichen chronischer Schmerzen

  • lang andauernd
  • Schmerzintensität korreliert nicht zwangsläufig mit dem Ereignis und der Ursache
  • unzureichendes Ansprechen auf verschiedene Analgetika
  • primäre oder sekundäre psychische Belastungssituation
  • Leistungsminderung
  • häufige Arztwechsel
  • u.v.m.

Messung der Schmerzintensität

Gängige Verfahren, um die Intensität von Schmerzen zu erfassen, sind die numerische Rankingskala (NRS) bzw. die visuelle Analogskala (VAS). Hierbei werden je nach Alter oder auch Sprachhindernissen des Patienten die Schmerzintensität anhand von Symbolen (z. B. Smiley, Farbe) oder Zahlen visualisiert bzw. eingeordnet.

Auch im Rahmen der wissenschaftlichen Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mittels speziellen Fragebögen, die der Patient selbst ausfüllt, können quantitative Informationen über die Schmerzintensität gewonnen werden. Ein Beispiel ist hier die Schmerzskala des SF-36 Version 2, die in verschiedenen Übersetzungen vorliegt.